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  1971 trauerten an Jo “Seppi” Sifferts Beerdigung über 50'000 Menschen in den Strassen seiner Heimatstadt Fribourg. Siffert war ein volksnaher Star, der nach seinem frühen Tod zum Mythos wurde; ein Getriebener und ein Antreiber, der allen, die ihn kennenlernen durften, in lebhafter Erinnerung geblieben ist. Noch heute gilt er als einer der zehn besten Rennfahrer aller Zeiten. Dreieinhalb Jahrzehnte nach seinem tragischen Unfalltod in Brands Hatch wird der legendäre Fribourger endlich zum Filmhelden.

Dreieinhalb Jahrzehnte nach seinem Unfalltod in Brands Hatch wird der legendäre Fribourger Rennfahrer Jo Siffert zum Filmhelden: Men Lareida huldigt dem Mythos des verrücktesten, mutigsten und schnellsten Schweizers der jüngeren Geschichte in einer beschwingten Hommage aus heutiger Sicht.
Hand aufs Herz: Gab’s je einen «cooleren» Schweizer als Jo Siffert, der Underdog in der Formel 1 – genannt Jo oder auch Seppi - der die Aura eines rebellischen Popstars versprühte? Schon Niklaus Meienberg besiegelte in seinen berühmten «Reportagen aus der Schweiz» (1975) den Mythos des Automechanikers aus ärmster Herkunft, der dem reaktionär-katholischen Milieu seiner Heimatstadt auf die Rennpisten der Welt entkam.
Der junge Churer Filmemacher Men Lareida entdeckt den charismatischen Champion und Frauenschwarm, der sogar Steve McQueen im Rennfahrerfilm «Le Mans» als Vorbild diente, nun für ein jüngeres Kinopublikum. In einer geschickten Mischung aus exklusivem Archivmaterial und Interviews mit Wegbegleitern,
Familienmitgliedern und Konkurrenten blendet Lareidas «Biopic» – stets begleitet vom mitreißenden Beatpop von Netz Maeschis Band Stereophonic Space Sound Limited – zurück in eine Zeit, in der die Rennfahrerei noch nicht in der Spirale von Geld und Macht verkommen war. Die Formel 1 war damals eine grosse Familie und nicht einmal Jim Clark, der Weltmeister, genoss Star-Status; die Fahrer waren Mechaniker und Schwerarbeiter, die im überhitzten Cockpit Brandblasen davontrugen - und Siffert war der ärmste von allen. Doch Siffert war auch einer, der der Rennfahrerei wie einer Droge verfallen war und ohne Strategie immer voll auf Sieg fuhr. In einem Zirkus, in dem «jeder Tag ein kleiner Tod, jede Nacht eine kleine Liebe» bedeutet, trieb er die Risikobereitschaft und die Coolness auf die Spitze. Und obwohl die damalige «Traumwelt der 300-Stundenkilometer» im Vergleich zur heutigen Formel 1 der Superboliden fast wie eine Seifenkisten-Veranstaltung erscheint, versprühte sie mehr Abenteurertum, Glamour und Weltläufigkeit. Die Welt im Jo Siffert-Film – vom abwasser-betriebenen Fribourger Stadtbähnchen Funiculaire bis zu den Niagarafällen, vom Siffert-Brunnen Jean Tinguelys bis zur Rennstrecke von Brands Hatch, wo Siffert 1968 den Grossen Preis von England gewann und 1971 bei einem Ehrenrennen für Jackie Stewart in seinem Unfallauto verbrannte – diese Welt «erfahren» wir als handfest erlebte, optimistisch beschwingte Welt. So reist die «Siffert-Bande» auf dem Landweg und noch ohne Autobahn zum Rennen nach Sizilien, unterwegs schon mal ein paar Zitronen klauend. Und einmal rammt Siffert seinen teuren Karren in einen heimischen Kartoffelacker, dass man ihn richtiggehend ausgraben muss. Dass der «very charming, very friendly young swiss» (wie ein englischer Fernsehkommentator schwärmt) auch ein «Ladies-Man» war, offenbart die diskrete Anekdote eines Autorevue-Journalisten: In der Swissair-Maschine ab Heathrow, die eigens auf den Grand-Prix-Sieger gewartet hatte, steckt ihm eine Stewardess zum Abschied ihre Visitenkarte zu. Die augenzwinkernd montierte, nostalgisch verbrämte Sicht auf die Schweizer Sportlerlegende ist auch ein Plädoyer für die Verwirklichung eigener Lebensträume und den Mut zum Risiko. «Live Fast, Die Young» – die Sehnsucht nach einem gefährlich spannenden Leben hat auch heutzutage noch nichts von ihrer Verführungskraft verloren - oder wie es Jo’s Schwester Adelaide Siffert sagt: «Es ist besser, 34 Jahre gefährlich zu leben als sich 80 Jahre lang zu langweilen».